Still, assoziativ, mitunter auch rätselhaft sind die Arbeiten der Serie „Schutzräume – do we have a second chance“. Schemenhafte Figuren treten mal mehr, mal weniger deutlich aus einem farbreduzierten Untergrund hervor. Ein jugendlicher Mann im Anzug blickt uns selbstbewusst an. Er steht in einem undefinierten, mit quadratischen Formen gegliederten Raum, der jedoch realer als der Mann erscheint: Wie bei einer langsam verblassenden Erinnerung löst sich sein Körper auf. In einer weiteren Arbeit der Serie begegnet ein blondes Mannequin ihrem eigenen Abbild. Ein Spiel von Annäherung und Distanzierung entsteht. Woher kommen die Bilder? Was erzählen sie uns?
Ute Fischer-Dieter arbeitet mit Fundstücken, hochwertig hergestellten und ästhetisch ansprechenden Prospekten. Durch ihre Arbeitsweise des Durchleuchtens treten die Vor- und die Rückseite der Magazine in einen Dialog miteinander. Menschen und Objekte begegnen sich, die nicht unmittelbar zueinander gehören. Neue Bilder entstehen, Geschichten werden neu erzählt.
Für die Entstehung der Arbeiten wird das vorgefundene Material zunächst manuell präpariert. Anschließend werden die einzelnen Seiten im Siebdruckverfahren überdruckt. Die Schablone für den Siebdruck wird dabei aus einem Büttenpapier gewonnen, indem das Blatt auf dem beschichteten Sieb belichtet wird. Bei dem Druckvorgang werden die ursprünglichen Bilder dank eines lasierenden Farbauftrags nicht vollständig verdeckt – vielmehr scheinen sie geheimnisvoll durch die Farbschichten hindurch. Am Bildrand laufen die Druckfarben langsam aus und rahmen das Bild im Zentrum ein. Da die gedruckten Felder nicht passgenau übereinanderliegen, werden die unterschiedlichen Farbschichten sichtbar. Sie weichen in leichten Nuancen voneinander ab. Die Arbeiten werden gegen Licht abfotografiert und auf hochwertigem, haptisch anmutendem Papier gedruckt.
Dadurch wird das auflagenstarke Prospekt in ein Unikat transferiert, um in einem letzten Schritt wieder in eine Vervielfältigungstechnik überführt zu werden. Auf diese Weise steht das handwerklich bearbeitete Kunstwerk, das auf eine Auflagenhöhe von wenigen Exemplaren reglementiert wurde, der Massenware gegenüber. In diesem Zusammenhang ist auch der Gebrauch des Büttenpapiers zu verstehen, das für die Herstellung der Siebdruck-Schablone verwendet wurde. Einst aus wertvollen Rohstoffen von Hand geschöpft, ist dieses Papier heutzutage häufig sehr preiswert im Einkauf, da es meist in Ländern mit niedrigen Löhnen, in großen Mengen, produziert wurde.
Von den haptischen Siebdruck-Serien wurden zudem digitale Fotos und Videos angefertigt. Mit dem Wechsel des Mediums – vom Papier zur Digitalität – spielt die Künstlerin auch in den jüngsten Arbeiten. Hierbei werden die bereits vorliegenden Bilddateien am Computer virtuell übereinander gelegt und können bei Bedarf gedruckt werden. Auf diese Weise kann sie ihrer Arbeitsweise treu bleiben. Denn um Neues zu schaffen, müssen keine neuen Ressourcen aufgebracht werden. Vielmehr richtet sie den Blick auf die Dinge, die vorhanden sind und denkt sie weiter.